Petr Němec | 22.11.2024
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Jessica Vaculíková | | November 21, 2023
Der Gerichtshof der Europäischen Union (im Folgenden „EuGH“) hat kürzlich eine Entscheidung mit erheblicher tschechischer Spur erlassen. In der beschriebenen Entscheidung befasste sich der EuGH mit der Vorfrage, ob ein entlassener Arbeitnehmer Anspruch auf eine finanzielle Abgeltung für nicht in Anspruch genommene Urlaubstage für den Zeitraum vom Tag der Entlassung bis zum Tag seiner Wiedereinstellung hat.
Der gestellten Vorfrage ging ein gerichtlicher Streit zwischen einer Arbeitnehmerin einerseits und der Direktion für Straßen und Autobahnen der Tschechischen Republik als Arbeitgeber andererseits voraus. Die Mitarbeiterin war seit 2009 auf der Grundlage eines Arbeitsvertrages bei dem genannten Unternehmen beschäftigt, wurde jedoch im Jahr 2013 vom Arbeitgeber entlassen.
Im ursprünglichen Gerichtsverfahren, das vor den tschechischen Gerichten stattfand, wurde letztlich entschieden, dass die Kündigung durch den Arbeitgeber ungültig sei. Nach Erhalt der Kündigung teilte die betroffene Arbeitnehmerin dem Arbeitgeber mit, dass sie auf einer Weiterbeschäftigung bestehe;
bis zur endgültigen Entscheidung über die Ungültigkeit der Kündigung wurde ihr jedoch keine Arbeit zugewiesen.
Die Arbeitnehmerin wurde später im Jahr 2017 wieder bei demselben Arbeitgeber eingestellt, als der Streit um die Ungültigkeit der Kündigung vor den inländischen Gerichten bereits abgeschlossen war. Nachdem die Arbeitnehmerin also wieder an ihrem ursprünglichen Arbeitsplatz eingestellt worden war, stellte sie einen Antrag auf Inanspruchnahme des Urlaubs für das Kalenderjahr, den sie zwischen dem Tag ihrer Entlassung und dem Tag ihrer Wiedereinstellung nicht in Anspruch genommen hatte.
Der Arbeitgeber kam der Aufforderung der Arbeitnehmerin nicht nach, und nachdem sie trotz der Missbilligung des Arbeitgebers mit der Inanspruchnahme bzw. Urlaubskonsumierung begonnen hatte, wurde die Arbeitnehmerin erneut wegen unerlaubter Abwesenheiten entlassen.
Nach einer erneuten Entlassung, nun wegen unerlaubter Abwesenheiten, legte die Arbeitnehmerin erneut eine Klage beim Gericht ein und forderte die Zahlung einer Gehaltsentschädigung, einschließlich Verzugszinsen für die Urlaubstage im Zeitraum vom Tag der ersten Entlassung bis zu dem Tag, an dem sie wieder eingestellt wurde. Da die Arbeitnehmerin mit der Klage jedoch weder bei der ersten noch bei der zweiten Gerichtsinstanz Erfolg hatte, beschloss sie, gegen das Urteil des Kreisgerichts Brünn eine Berufung einzulegen.
Das Oberste Gericht, als Berufungsinstanz beantragte daraufhin beim EuGH die Entscheidung über die einleitend erwähnte Vorfrage zur finanziellen Abgeltung für nicht in Anspruch genommene Urlaubstage. In seiner Entscheidung befasste sich der EuGH mit der Auslegung der Vereinbarkeit/Übereinstimmung des relevanten Artikels der Richtlinie 2003/88/EG zur Regelung der Arbeitszeit mit der innerstaatlichen Rechtsprechung bzw. den Gesetzen.
Gemäß den tschechischen Rechtsvorschriften, konkret dem Gesetz Nr. 262/2006 Slg., Arbeitsgesetz-buch (im Folgenden „cz-AGB“) hat der entlassene Arbeitnehmer - der dem Arbeitgeber jedoch schriftlich mitteilt, dass es auf seiner Beschäftigung besteht, Anspruch auf Lohn- bzw. Gehaltsersatz bis zu dem Zeitpunkt, an dem das Gericht über die (Nicht-) Gültigkeit der Kündigung entscheidet. In der innerstaatlichen Rechtsprechung heißt es weiter: „Wenn der Arbeitnehmer jedoch von dem Zeitpunkt an, an dem er dem Arbeitgeber mitgeteilt hat, dass er (weiter) arbeiten möchte, bis zu dem Zeitpunkt, an dem die ihm zugestellte Kündigung für ungültig erklärt wurde, nicht tatsächlich gearbeitet hat, hat er keinen Anspruch auf bezahlten Kalenderjahresurlaub für diesen Zeitraum.“ Und genau diese Entscheidungspraxis der tschechischen Gerichte wurde vom EuGH überprüft.
In seiner Entscheidung stellte der EuGH unter anderem fest, dass der durch die Richtlinie 2003/88/EG zur Anpassung der Arbeitszeit festgelegte Anspruch auf bezahlten Urlaub einen doppelten Zweck hat, nämlich dem Arbeitnehmer zu ermöglichen, sich von der Erledigung seiner Aufgaben auszuruhen und Zeit für Ruhe und außerberufliche Interessen zu haben.
Der oben genannte doppelte Zweck des Urlaubs kann somit logischerweise nicht erfüllt werden, wenn der Arbeitnehmer nicht gearbeitet hat; laut EuGH gibt es jedoch Ausnahmen, wenn es notwendig ist, den Anspruch auf Urlaub auch Arbeitnehmern zu gewähren, die nicht gearbeitet haben. Dies ist auch dann der Fall, wenn ein Arbeitnehmer, der rechtswidrig aus dem Arbeitsverhältnis entlassen und anschließend wieder eingestellt wurde, nicht tatsächlich für seinen Arbeitgeber arbeiten durfte.
Und diese Ausnahme gilt auch für den von uns geschilderten Fall der Arbeitnehmerin, der laut EuGH der Anspruch auf eine finanzielle Entschädigung für nicht in Anspruch genommene Urlaubstage, für den Zeitraum vom Tag ihrer Entlassung von der Beschäftigung bis zu dem Tag, an dem sie wieder eingestellt wurde, verweigert wurde - im Widerspruch zur Richtlinie 2003/88/EG zur Regelung der Arbeitszeit.
Die oben beschriebene Entscheidung des EuGH wird sicherlich eine Änderung in der Entscheidungs-praxis der tschechischen Gerichte mit sich bringen, die Ansprüche auf Entschädigung für bezahlten Urlaub während der Dauer eines Rechtsstreits über die Unwirksamkeit der Kündigung vom Arbeitsverhältnis bislang ablehnend betrachtet haben.