GT News

Steuern, Buchhaltung, Recht und mehr. Alle wichtigen Neuigkeiten für Ihr Unternehmen.

Veronika Odrobinová | Tatiana Rabinovich | September 26, 2023

Abrechnung im Hinblick auf die Verjährungsfrist

Teile den Artikel

Das Recht gehöre den Wachsamen, betonte der große Senat des Obersten Gerichts in seiner Entscheidung vom 31. Mai 2023, Az. 31 Cdo 3125/2022, bezogen auf den Beginn der Verjährungsfrist.

Sachverhalte

Das Berufungsgericht beschäftigte sich mit der Frage, ab wann die Verjährungsfrist zu laufen beginnt, wenn die Parteien vertraglich vereinbart haben, dass das Entgelt für die Leistungserbringung vom Auftragnehmer ab dem Zeitpunkt der ordnungsgemäßen Beendigung der Tätigkeit, frühestens jedoch am 30. Juni 2015, in Rechnung gestellt werden kann, mit Fälligkeit innerhalb von 14 Tagen ab der Zustellung der Rechnung an den Auftraggeber.

Der Auftragnehmer hat eine Rechnung am 31. Mai 2018 mit dem angegebenen Fälligkeitsdatum am
14. Juni 2018 ausgestellt, also vor Ablauf von drei Jahren ab dem Datum, an dem die Rechnung erstmals hätte ausgestellt werden können. Nachdem sich der Auftraggeber weigerte, die ausgestellte Rechnung zu bezahlen, reichte der Auftragnehmer am 30. Oktober 2019 eine Klage gegen ihn ein.
Der Auftraggeber beanstandete dies wegen Verjährung des Anspruchs.

Rechtliche Beurteilung des Gerichts

Das Oberste Gericht orientierte sich an der Rechtsprechung vor dem Inkrafttreten des neuen Bürgerlichen Gesetzbuchs, die konstant die Regel anwendete, dass der Beginn der Verjährungsfrist an den Tag gebunden ist, an dem der Gläubiger den Schuldner erstmals um Leistung bitten konnte, und nicht an den Tag, an dem der Gläubiger vom Schuldner die Leistung tatsächlich verlangte. Im konkreten Fall begann die Verjährungsfrist an dem Tag zu laufen, an dem der Auftragnehmer erstmals darüber informiert wurde, dass das Förderantragsprojekt, das er für den Auftraggeber gemäß dem Auftragsvertrag erstellt hatte, zum Abschluss eines Subventionierungsvertrages empfohlen wurde.

Praktische Auswirkungen

Der Zweck dieser Entscheidung besteht hauptsächlich darin, Situationen der Rechtsunsicherheit zu verhindern, in denen der Gläubiger die Rechnungsstellung „auf unbestimmte Zeit/ bis ins Unendliche“ verschiebt. Dass die Vertragsparteien die Fälligkeit der Forderung im Vertrag ausdrücklich an die Ausstellung der Rechnung geknüpft haben, hat nach Ansicht des Obersten Gerichts keinen Einfluss auf den Lauf der Verjährungsfrist. Bei einer solchen vertraglichen Vereinbarung kann es daher vorkommen, dass die Forderung des Gläubigers verjährt, ohne jemals fällig oder gerichtlich eintreibbar zu sein –
und zwar für den Fall, dass der Gläubiger nicht innerhalb einer Dreijahresfrist eine Rechnung ausstellt, von dem Tag an, an dem er dies zum ersten Mal hätte tun können.

Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung/ des Judikats stellt sich jedoch die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen die Vertragsparteien wirksam vereinbaren können, dass die Zeitspanne zwischen der ordnungsgemäßen Leistungserbringung und der Rechnungsstellung für diese Leistung drei Jahre oder länger sein wird, ohne dass der Gläubiger die Verjährung seiner Forderung riskiert. Insbesondere in Branchen, die durch eine langfristige Zusammenarbeit der Vertragspartner und ein hohes Maß an Flexibilität bei der Festlegung der Fristen für die Erbringung von Geldleistungen
(z.B. hinsichtlich der Höhe der Forderung oder der Schlüsselbedeutung des Vertragspartners) gekennzeichnet sind, kann dieser Sachverhalt erhebliche praktische Auswirkungen haben.

In jedem Fall bleibt es eine bewährte Praxis, Rechnungen schnellstmöglich nach der Leistungs- erbringung auszustellen – auch wenn der Gläubiger unter Berücksichtigung der spezifischen Beziehungen der Vertragsparteien nicht beabsichtigt, auf der sofortigen Zahlung des geschuldeten Betrags zu bestehen. Die sicherste Lösung wird dann darin bestehen, von der Möglichkeit einer ausdrücklichen Verjährungsfristverlängerung im Sinne des § 630 Abs. 1 BGB Gebrauch zu machen, und zwar entweder für das gesamte Vertragsverhältnis oder ggf. für einzelne Forderungen.

Autor: Veronika Odrobinová, Tatiana Rabinovich